Schichtmodelle – gesund und flexibel

Publikation in 21 HR_administration manage_HR | Heft 02 | Mai 2009
Überschrift?????
Die kapitalintensiven Betriebsanlagen sollen besser ausgelastet werden, die Produktion soll kostengünstiger, die Stückkosten reduziert werden, der Takt neuer Kundenwünsche nimmt zu, und die Unternehmen müssen immer schneller darauf reagieren … Es gibt zahlreiche Gründe, warum Unternehmen flexible Arbeitszeitsysteme in ihrem Betrieb einführen. So spielen neben ökonomischen
Gründen auch häufig betriebsinterne soziale Gründe eine große Rolle, die bestehenden Arbeitszeiten ändern zu wollen: Zu kurzfristig festgelegte Schichtpläne führen dazu, dass Mitarbeiter ihre Freizeit nicht mehr richtig planen können, es kommt zeitweise zu vielen Mehrarbeitsstunden, und die ohnehin schon gesundheitlich belastende Schichtarbeit wird für die Mitarbeiter somit noch belastender … Aber auch eher unkonkrete Wahrnehmungen wie Unzufriedenheit oder Probleme der Mitarbeiter führen dazu, das aktuelle Schichtarbeits-System zu überdenken.
Doch in welche Richtung soll die Veränderung gehen, wie soll das neue Arbeitszeitsystem aussehen? Ebenso zahlreich wie die Gründe für eine Flexibilisierung des Schichtsystems sind die Arbeitszeitmodelle, die ein Unternehmen wählen kann. Da die Strukturen und Anforderungen je nach Unternehmen sehr unterschiedlich sind, sollten auf keinen Fall Arbeitszeitmodelle anderer Unternehmen übernommen und der eigenen Firma übergestülpt werden. Vielmehr ist es wichtig, dass ein neues Arbeitszeitsystem die individuellen betrieblichen Belange berücksichtigt.
Die Vier-Phasen-Methode als Raster
Die Flexibilisierung der Arbeits- und Betriebszeiten ist ein komplexer Prozess, der sich auf alle Bereiche des Unternehmens auswirkt. Die Maßnahmen führen nur dann zur Zielerreichung, wenn sie schrittweise auf die personellen Gegebenheiten und Mitarbeiterbelange sowie die organisatorischen und technischen Gegebenheiten abgestimmt werden. Bewährt hat sich die sogenannte Vier-Phasen-Methode. Bei dieser ist – der…?????
Die Produktion läuft nicht rund, Kundenaufträge können nicht rechtzeitig bearbeitet werden, die Maschinen sind zeitweise nicht ausgelastet, die Mitarbeiter dafür überbelastet … Wenn ein Unternehmen vor solchen Problemen steht, muss oftmals das Arbeitssystem überarbeitet werden. Wie die Flexibilisierung der Arbeitszeit gelingen kann, zeigt Beraterin Petra Strahl anhand des Vier-Phasen-Modells.
– Einführung in vier Phasen: Warum ein flexibles Arbeitszeitsystem am besten schrittweise implementiert wird
Akzeptanz sichern:
Wie die Mitarbeiter in die Erarbeitung eines neuen Arbeitszeitmodells eingebunden werden
Wichtige Fragen:
Was bei der Personalbedarfsermittlung auszuwerten ist
Die Nettoarbeitszeit verteilen:
Warum eine Jahresbetrachtung der Arbeitszeiten pro Mitarbeiter sinnvoll ist.
Erfahrungen überprüfen:
Wie bei der Evaluation des neuen Schichtsystems vorzugehen ist.
???? Name deutet es an – der Planungs- und Implementierungsprozess in vier Phasen unterteilt: in die Orientierungs-, die Analyse-, die Implementierungs- und die Evaluationsphase. Die einzelnen Phasen gehen allerdings fließend ineinander über. Zudem unterliegt der Ablauf der Implementierung situativen Einflüssen. Jedes Unternehmen muss ein an die eigenen Bedürfnisse angepasstes Vorgehen wählen, bei dem etwa auch die Einbeziehung der Mitarbeiter zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen kann.
Den Sollzustand formulieren
Zurück zum Ausgangspunkt – zur Orientierungsphase. Zunächst gilt es, das Problem zu identifizieren: Weshalb wird ein neues Arbeitszeitsystem benötigt?
Hat das Unternehmen die Probleme im Hause benannt, sind die Ziele festzulegen, die durch eine Flexibilisierung der Arbeitszeit erreicht werden sollen. Um nicht nur ökonomische, sondern auch personalwirtschaftliche und soziale Ziele beurteilen zu können, sollten die Wünsche, Sorgen und Nöte der betroffenen Mitarbeiter durch eine Mitarbeiterbefragung erhoben werden. Nachdem der angestrebte Sollzustand formuliert ist, sollten so früh wie möglich die Mitarbeiter über die Notwendigkeit der Veränderung informiert werden – ebenso wie der Betriebsrat, der gemäß dem Betriebsverfassungsgesetz ein Mitbestimmungsrecht bei Arbeitszeitregelungen hat. Die Qualität der Mitarbeiterkommunikation bestimmt weitgehend die Güte der betrieblichen Vereinbarung zur neuen Arbeits- und Betriebszeitgestaltung – und ist so letztlich Voraussetzung für eine harmonische und erfolgreiche Einführung eines neuen Modells. Um Hemmnissen und Widerständen der betroffenen Mitarbeiter entgegenzuwirken, spielt die rechtzeitige, auf einen Dialog ausgerichtete Information und Kommunikation eine entscheidende Rolle. Schließlich gilt es, die Akzeptanz aller Beteiligten zu erreichen. Allen Mitarbeitern sollten daher sachlich und leicht verständlich betriebsbezogene Informationen in Verbindung mit branchenspezifischen Fakten und Trends gegeben werden, damit sie die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge besser verstehen und beurteilen können. Das Kosten- und Wettbewerbsbewusstsein der Mitarbeiter muss gestärkt, Fernwirkungen sollten begreifbar gemacht werden.
Ein Projektteam für die Analyse bilden
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Mitarbeiter das neue Arbeitszeitmodell akzeptieren, erhöht sich mitunter, wenn das Unternehmen sie in die sogenannte Analysephase einbindet. Konkret: In vielen Fällen empfiehlt sich, dass Mitglieder aus den Abteilungen, die von der Flexibilisierung der Arbeitszeiten betroffen sind, in das Projektteam aufgenommen werden, dessen Gründung sich zur Erarbeitung eines geeigneten Modells in je-
dem Fall empfiehlt. Idealerweise besteht die Projektgruppe aus
Vertretern aller betroffenen Akteure, so dass die verschiedenen
Interessen im Unternehmen berücksichtigt und die jeweiligen
Erfahrungen und Kenntnisse genutzt werden können.
Neben den Vertretern aus den betroffenen Abteilungen gehö-
ren u.a. Mitarbeiter aus dem Personalbereich und der Produk-
tionsplanung sowie der Betriebsrat dem Projektteam an. Sie
nehmen eine genaue Analyse der individuellen betrieblichen
Parameter vor.
DaS a unD o: DIe peRSonalbeD
aRfSeRmIttlung
Eine besonders wichtige Aufgabe des Projektteams ist dabei die
Personalbedarfsermittlung. Dabei geht es um die Beantwor
tung und Auswertung folgender vier Fragestellungen:
1. Wie hoch ist der tägliche, wöchentliche und jährliche Ar
beitsplatz-Besetzungsbedarf?
Hier geht es um die Abbildung
produktionsspezifischer Unternehmensbedürfnisse. Dabei
kann auf die vorhandenen oder erwarteten Produktionszahlen
aus der Produktion oder dem Vertrieb zurückgegriffen werden.
Auch müssen technische und organisatorische Parameter bei
der Arbeitsplatzbesetzung berücksichtigt werden.
2. Wie viele Mitarbeiter mit welchen Qualifikationen werden
auf Schicht benötigt, um den Produktionsablauf bzw. Arbeits-
ablauf zu gewährleisten?
Hierbei muss es sich um eine reine
Nettobetrachtung handeln. Personalreserven für Fehlzeiten
wie Urlaub oder Krankheit dürfen nicht in die Untersuchung
einbezogen werden.
3. Welche tarifvertraglichen Regelungen gibt es im Unterneh-
men?
Zu den tarifvertraglichen Bestimmungen gehören u.a.
die Wochenarbeitszeit und der Urlaubsanspruch der Mitarbei-
ter. Es sollte zudem geprüft werden, ob der Tarifvertrag eine
Jahresarbeitszeitbetrachtung zulässt, da die Arbeitszeiten in
einem Jahreszeitraum flexibler gestaltet werden können.
4. Wie lautet die Prognose der zukünftigen Fehlzeiten für
den Schichtplanzeitraum?
Dieser Faktor kann nur geschätzt
werden, da der Berechnungszeitraum in der Zukunft liegt. Die
Analyse erfolgt am besten anhand einer Auswertung der Fehl-
zeiten des vergangenen Betrachtungszeitraums. Berücksich-
tigt werden müssen dabei sämtliche Fehlzeiten wie Krankheit,
manteltarifvertragliche Freistellungen, Sonder- und Bildungs-
urlaub, Seminare und Schulungen, die außerhalb des Arbeits-
platzes stattfinden, Betriebsratstätigkeit, Altersteilzeit, Feuer
wehrübungen, Gruppengespräche etc.
DIe nettoaRbeItSzeIt eRRecHnen
Ist der Personalbedarf unter Berücksichtigung der benötigten
Produktionszeiten und der tariflichen Parameter errechnet,
kann das Konzept für das neue Schichtarbeits-System erstellt
werden. Im Hinblick auf betriebliche, organisatorische und
technische Voraussetzungen, aber auch auf die Qualifikations-
grade der Mitarbeiter muss dabei u.a. entschieden werden, in
wie viele Schichtgruppen die Mitarbeiter, verteilt werden, um
eine optimale Schichtbesetzung zu erhalten.
Ausgangsbasis ist dabei die tarifliche bzw. betriebliche Arbeits-
zeit des Mitarbeiters im Jahr. Bedacht werden muss, dass der
Mitarbeiter dem Unternehmen nicht die gesamte Zeit produk-
tiv zur Verfügung steht: Von der tariflichen Jahresarbeitszeit
müssen der Urlaubsanspruch sowie sonstige Fehlzeiten abge-
zogen werden. Auf diese Weise kann der Personaler die Netto-
Arbeitszeit errechnen (siehe Beispiel Kasten oben).
Die Nettoarbeitszeit kann vielfältig verteilt werden. Möglich ist
z.B., nur einen Teil davon im Jahresschichtplan fest in Früh-,
Spät- und Nachtschichten zu verplanen. Die zur Erreichung
der betrieblichen Jahresarbeitszeit fehlenden Stunden werden
im Laufe des Jahres bei Bedarf an festgeschriebenen Tagen
durch den Arbeitgeber abgerufen. So können Fehlzeiten mit
eigenem, qualifiziertem Personal kompensiert werden. Da die
betriebliche Jahresarbeitszeit nicht verändert wird, kommt es
dabei zu keinerlei finanziellen Verlusten. Mehrarbeit und die

daraus resultierende Mehrbelastung der Schichtarbeitnehmer

werden weitgehend eliminiert, weil die
Einbringung der noch zu leistenden
Schichten gleichmäßig und planmäßig
im Voraus auf alle Mitarbeiter verteilt
werden kann.
Die individuelle Jahresbetrachtung der
Arbeitszeiten pro Mitarbeiter hat im
Übrigen weitere Vorteile: Mithilfe der
Transparenz eines Jahresschichtplans
wird die Urlaubsplanung erleichtert, da
Personalengpässe sofort sichtbar wer
den. Auch kurzfristige freie Tage sind
durch Tausch der Schichten realisierbar,
ohne den Produktionsablauf zu behin-
dern. Die Mitarbeiter können durch ei-
nen festgeschriebenen Jahresschichtplan
zudem ihren Arbeitseinsatz ein Jahr im
Voraus erkennen und somit die familiäre
bzw. private Freizeit frühzeitig planen.
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empfeHlungen beacHten
Neben den „großen Anforderungen“ bei
der Einführung eines flexiblen Schicht-
arbeits-Systems wie der Personalbedarfs-
ermittlung und der Verteilung der Netto-
arbeitszeit fordert das Projekt zahlreiche
kleine Tätigkeiten. So ist zu prüfen, ob
die arbeitsmedizinischen Erkenntnis-
se – z.B. möglichst nicht mehr als drei
aufeinanderfolgende Nachtschichten,
geblockte Wochenendfreizeiten oder
vorwärtsrotierende Schichtblöcke – in
der Schichtplangestaltung berücksichtigt
werden sollen. Die Einbeziehung der ar
beitswissenschaftlichen Empfehlungen
in die Arbeitszeitgestaltung ist im Ar
beitszeitgesetz festgeschrieben. Durch
die gesetzliche Grundlage sollen die
Sicherheit und der Gesundheitsschutz
der Arbeitnehmer bei der Arbeitsplatz-
gestaltung gewährleistet sein und somit
eine gesundheitsgerechte Gestaltung der
Arbeitszeit für die Arbeitnehmer sicher
gestellt werden.
Last but not least können begleitende
organisatorische und technische Maß-
nahmen erforderlich sein. Oftmals ist
es z.B. notwendig, die interne Zeiterfas-
sung anzupassen, um das neue Arbeits-
zeitmodell abbilden zu können. Oder
es sind Vorkehrungen zu treffen, damit
notwendige Absprachen der Arbeitskräf-
te und die betriebliche Ansprechbarkeit
gewährleistet sind. Möglich wäre auch,
dass Vergütungsregelungen neu zu ver
handeln sind etc.
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ImplementIeR
ung ISt nötIg
Die Ergebnisse des neuen Arbeitszeitmo-
dells müssen übrigens in einer Betriebs-
vereinbarung festgehalten werden. Auf-
zunehmen sind u.a. die Gründe für die
Vereinbarung (Präambel), der rechtliche,
räumliche und persönliche Geltungsbe-
reich, die Rechtsbasis (gesetzliche und
tarifvertragliche Regelung), die Spezifika
des Modells (z.B. Schichtrhythmus, kur
ze Wechsel, Vergütung, Verfahren von
Einbringschichten etc.), die Laufzeit und
Kündigungsregelungen.
Zudem sollte eine ständige Betreuung
des Einführungslaufes stattfinden. Der
Grund: Selbst wenn sehr sorgfältig vor
gegangen wird, können bei der täglichen
betrieblichen Anwendung unerwartete
Schwierigkeiten auftreten, die zusätzli-
che bzw. flankierende Umsetzungsmaß-
nahmen erforderlich machen – etwa eine
Anpassung der Schichtplanparameter
oder eine erneute Unterrichtung der
Mitarbeiter über den Umgang mit dem
neuen Arbeitszeitmodell.
Zur Vorbereitung der späteren Evalu-
ierung empfiehlt es sich, bereits in der
Phase der Implementierung Checklisten
an alle Beteiligten zu verteilen, mit deren
Hilfe die positiven und negativen Erfah-
rungen (in Form von Vor- und Nachtei-
len des neuen Arbeitszeitmodells) festge-
halten werden.
RückmelDungen DeR mItaRbeIteR
Sy
StematIScH auSweR
ten
In der Evaluationsphase werden die bis-
herigen Erfahrungen im Unternehmen
mit dem eingeführten Arbeitszeitmodell
Petra Strahl
ist
geschäftsführerin der
flex-
time Consult Arbeitszeitberatungs
gmbH mit
sitz in Hannover. Mit ihrem
unternehmen ist
sie seit rund acht Jahren im
bereich der Ar
beitszeitberatung mit dem
schwerpunkt Er
stellung und Einführung flexibler und humaner
schichtsysteme in Klein- bis
großkonzernen
unterschiedlicher
branchen tätig. Kontakt: pe-
tra.strahl@flextime-consult.de
überprüft, um gegebenenfalls Korrektu-
ren vornehmen zu können. So werden
die Rückmeldungen der Mitarbeiter wie
auch die der Führungskräfte gesammelt,
nach positiven und negativen Erfahrun-
gen getrennt gelistet und gegenüberge-
stellt.
Spätestens nach zwölf Monaten sollten die
Berichte systematisch ausgewertet wer
den. Im Anschluss daran kann entschie-
den werden, ob und welche Veränderun-
gen der Arbeitszeitregelung erforderlich
und welche Modifizierungen der flankie-
renden Maßnahmen zweckmäßig sind.
Neben den Korrekturen von sich ab-
zeichnenden Fehlentwicklungen können
die gesammelten Erkenntnisse und Er
fahrungen zu späterer Zeit auch aufzei-
gen, inwieweit das praktizierte Arbeits-
zeitmodell noch optimal ist. Wurden
die Unternehmensziele nicht oder nicht
ausreichend erreicht, kann aufgrund der
bis dahin gesammelten Erfahrungen ein
neuer Soll-Ist-Vergleich erfolgen. Hier
bei können die Analysedaten zum einen
einer quantitativen Überprüfung (auf
der Basis von Daten) und zum anderen
einer qualitativen Überprüfung (auf der
Basis von Einzel- und Gruppengesprä-
chen) unterzogen werden.
Wichtig ist: Um auf sich verändernde
Anforderungen (z.B. betriebliche, tarif-
vertragliche Veränderungen) reagieren
zu können, sollte eine laufende Überprü-
fung der bestehenden Arbeitszeitrege-
lung durchgeführt werden. So weiß das
Unternehmen, ob das bestehende Ar
beitszeitmodell noch bedarfsgerecht und
für die Organisation vorteilhaft ist.
petra Strahl
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