Schichtpläne gesund gestalten

 

Schichtpläne müssen ergonomisch und gesund gestaltet werden, da Schichtarbeit körperlich und sozial belastend ist und für die Beschäftigten ein gesundheitliches Risiko darstellt. Daher kommt der ergonomischen und gesunden Schicht- und Arbeitszeitgestaltung ein sehr großer Stellenwert zu.

 

Die Probleme von Schichtarbeitern

 

Die Probleme von Schichtarbeitern sind vielschichtig und individuell unterschiedlich. Grundsätzlich wurden durch empirische Langzeitstudien von Arbeitsmedizinern u.a. folgende Problemstellungen ermittelt:

  1. Der Tagschlaf nach Nachtschichten ist kürzer als der normale Nachtschlaf
  2. Die Qualität des Tagschlafs ist aufgrund der Umwelteinflüsse schlechter
  3. Anhäufung von Schlafdefiziten bei langen Nachtschichtblöcken
  4. Schlafstörungen sind auch noch Jahre nach dem Ausstieg aus der Dauernachtarbeit vorhanden
  5. Leben gegen die „innere Uhr“
  6. Unregelmäßige Nahrungsaufnahme und gestörte Verdauung
  7. Erhöhtes Risiko von Erkrankungen (z.B. Herz-Kreislauf, Stress)
  8. Soziale Probleme / eingeschränktes Freizeitverhalten
  9. Ausstieg / Belastungsabbau im Alter
  10. Geringere Möglichkeiten zur Fort- und Weiterbildung
  11. Mehrarbeit / Freizeitausgleich

Aus den oben beschriebenen Problemen wird ersichtlich, dass Schichtarbeit belastend ist und die Einbeziehung der arbeitswissenschaftlichen Empfehlung in die Schichtplangestaltung zwingend notwendig macht!

 

In die Schichtpläne die arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse integrieren!

 

Gut organisierte, ergonomische und planbare Schichtpläne (Jahresschichtpläne) mit der Einbindung der arbeitswissenschaftlichen Empfehlungen minimieren die gesundheitlichen Risiken. Außerdem erhöht sich die Mitarbeiterzufriedenheit, weil durch planbare Freizeit auf private und familiäre Belange Rücksicht genommen werden kann.

Um gesunde Schichtpläne zu erhalten, müssen zwingend die arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse bei der Schichtplanerstellung berücksichtigt werden.

Die Integrierung der arbeitswissenschaftlichen Empfehlungen in die Schichtplangestaltung ist im Arbeitszeitgesetz geregelt. „Demnach ist die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.“ (§ 6 ArbZG) Durch diese gesetzliche Regelung soll der Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Nacht- und Schicht-Arbeitnehmer gewährleistet und somit eine gesundheitsgerechte Gestaltung der Schichtarbeitszeit sichergestellt werden.

 

Die arbeitsmedizinischen Empfehlungen

 

Aufgrund der gesundheitlichen und sozialen Belastungen von Schichtarbeitern und den Ergebnissen der arbeitsmedizinischen Erkenntnisse, lassen sich folgende Empfehlungen zur Gestaltung von Schichtarbeit ableiten, die von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin empfohlen werden.

 

Eingestreute kurze Nachtschichtblöcke

Die Anzahl der aufeinanderfolgenden Nachtschichten sollte möglichst gering sein. Wenn möglich sollen maximal drei Nachtschichten am Stück in den Schichtrhythmus eingeplant werden.

Bei kurzen Nachtschichtblöcken kommt es nicht zur einer Anpassung des Bio-Rhythmus. Obwohl viele Schichtarbeitnehmer, die lange Nachtschichtblöcke arbeiten, den Eindruck haben, dass der Körper sich anpasst (subjektiver Eindruck), findet tatsächlich keine echte Anpassung der Körperfunktionen an die Nachtschicht statt (objektiver Tatbestand). Eine Ansammlung von Schlafdefiziten kann durch kurze Nachtschicht-Rhythmen vermieden werden, was der Gesundheit der Beschäftigten zu Gute kommt und dem Unfallrisiko entgegenwirkt.

Durch wenige Nachtschichten in einem Schichtblock sind auch bessere soziale Kontakte innerhalb einer Woche und am Wochenende möglich. Die Schichtarbeitnehmer sind nicht eine ganze Woche während der Nachtschicht „untergetaucht“, sondern die Früh-, Spät- und Nachtschichten sind über die Woche verteilt. Somit kommt es zu gleichmäßigeren sozialen Kontakten.

 

Der Schichtrhythmus sollte vorwärts rotieren

Vorwärts rotierende Schichtblöcke sind gesundheitsschonender. Der Wechsel von Früh-, zur Spät- und Nachtschicht kommt der Tendenz der Tagesdehnung und somit dem Biorhythmus entgegen.

In der Praxis wird der Vorwärtswechsel von den Schichtarbeitnehmern oft als negativ empfunden, da durch Rückwärtswechsel größere zusammenhängende Freizeiten (vor allem am Wochenende) generiert werden können. Daher ist es in diesem Zusammenhang eine gute, transparente und bestimmte Mitarbeiter-Kommunikation notwendig, um gesunde Vorwärtswechsel in die Schichtpläne integrieren zu können.

 

Nach einer Nachtschichtphase sollten möglichst 24 Stunden arbeitsfreie Zeit folgen

Um einen direkten Ausgleich der Nachtschicht-Belastung zu erhalten, sollten nach einer Nachtschichtphase möglichst lange Ruhephasen liegen. Nur somit ist eine effektive Erholung möglich.

Allerdings wird erfahrungsgemäß selbst 48 Std. Freizeit nach einem 6- oder 7-Tage-Arbeitsblock im Vollkonti-Betrieb von den Schichtmitarbeitern subjektiv als zu kurz empfunden.

 

Keine Massierung von Arbeitstagen oder Arbeitszeiten

Eine erhöhte Anhäufung von Arbeitszeiten auf den Tag oder in der Woche sollte vermieden werden. Durch die Massierung der Arbeitszeiten über einen längeren Zeitraum kommt es zu einer Anhäufung von Belastungen. Folge daraus ist eine erhöhte Belastung und Ermüdung der Schichtarbeiter. Die Unfallgefahr kann sich, je nach Tätigkeit, erhöhen.

Aus diesen Gründen sollten nicht mehr als 48 Std. in der Woche (6-Tage-Arbeitsblöck) und nicht mehr als 8 Std. am Tag (keine 12 Stunden-Schichten!) gearbeitet werden.

Außerdem sollte bei der Schichtplangestaltung darauf geachtet werden, dass es zu einer Durchmischung von Arbeitszeit und Freizeit kommt. Dies führt zu einer besseren Regeneration der körperlichen Leistungsfähigkeit der Schichtarbeiter. Auch kann dadurch auf die Belastung besonders älterer Mitarbeiter Rücksicht genommen werden.

In diesem Zusammenhang sollte auch darauf geachtet werden, dass die Mehrbelastung nicht monetär durch Zuschläge, sondern durch Freizeit ausgeglichen wird.

 

Geblockte Wochenendfreizeiten

Geblockte Wochenendfreizeiten sind besser als einzelne freie Tage am Wochenende. Dem Wochenende kommt ein sehr hoher Stellenwert für das soziale Leben zu. Gerade das Wochenende ist für „normal“ Arbeitende frei und somit für soziale Kontakte eine bevorzugte Zeit. Daher können Schichtarbeitnehmer gerade am Wochenende ihre sozialen Kontakte vermehrt pflegen und besser am sozialen Leben teilnehmen. Aus diesem Grund hat ein zusammenhängendes freies Wochenende einen höheren Nutzwert für die Schichtmitarbeiter. Außerdem kommt die Priorität des Sonntags als Ruhetag eine besondere Bedeutung zu.

 

Die Frühschicht sollte nicht zu früh beginnen

Erfahrungsgemäß passen die Schichtarbeiter ihre Schlafgewohnheiten vor der Frühschicht nicht an, so dass sie nicht früher zu Bett gehen. Weiterhin muss bedacht werden, dass die Beschäftigten noch Anfahrtszeiten haben, so dass dementsprechend der Schlaf, je früher mit der Frühschicht begonnen wird, sehr früh unterbrochen werden muss.

Durch die Unterbrechung des Schlafs kommt es zu einer unzureichenden Regeneration und Zunahme von Müdigkeit. Durch das vermehrte Schlafdefizit wird der Körper immer mehr beansprucht. Die Unfallgefahr nimmt zu.

Je später die Frühschicht beginnt, desto länger ist die Schlafdauer und umso weniger belastend ist es für die Schichtarbeiter.

 

Vorhersehbare und überschaubare Schichtpläne

Schichtpläne sollen vorhersehbar und überschaubar sein. Dies ist die Voraussetzung, dass die Mitarbeiter ihre Freizeitaktivitäten und ihr Privatleben planen können. Aber auch das Unternehmen hat dadurch eine bessere Planbarkeit, um personelle Über- und Unterdeckungen auffangen zu können. Empfehlenswert ist daher einen Schichtplan über das ganze Jahr zu erstellen, in dem auch Personalausfälle planbar abgedeckt werden können.

 

Das sollte auch noch bei der Umsetzung gesunder Schichtpläne berücksichtigt werden

 

Eine Bewertung der Schichtplan-Alternativen ist notwendig

Teilweise sind die arbeitswissenschaftlichen Empfehlungen nicht gleichzeitig zu erfüllen. Es gibt auch nicht den  idealen Schichtplan! Jedes Schichtmodell hat Vor- und Nachteile und muss mit den wirtschaftlichen und sozialen Zielen des Unternehmens weitgehend übereinstimmen. Daher ist es notwendig, eine Bewertungsbilanz mit Einzelkriterien zu erstellen und die Schichtplan-Varianten zu bewerten. Hierbei gilt grundsätzlich, dass die arbeitsmedizinischen Empfehlungen Vorrang haben, um dem gesundheitlichen Risiko der Schichtarbeitnehmer entgegenzuwirken.

 

 

Optimierung der Nachtschichtbesetzung

Die Notwendigkeit von Schichtarbeit ist vor allem betriebswirtschaftlichen Unternehmensbedürfnissen geschuldet. Dies können zum Beispiel technische Anforderungen des Produktionsprozesses, wirtschaftliche Gründe zur Ausnutzung von Anlagen oder im Dienstleistungsbereich die nötige Versorgung der Gesellschaft sein.

Bevor Nachtschichtarbeit eingeführt wird, sollte jedoch vorher grundsätzlich der Einsatz von Nachtschichten geprüft werden. Außerdem sollte in diesem Zusammenhang geprüft werden, ob die Nachtschichtbesetzung optimiert werden kann.

Dabei können folgende Fragestellungen hilfreich sein:

  • Kann die Schichtdauer von der Arbeitsschwere abhängig gemacht werden?
  • Können die Nachtschichten verkürzt werden? (bei ungleichen Schichtlängen)
  • Kann die Nachtschicht generell mit geringerer Mitarbeiteranzahl besetzt werden? (Reduzierung der Anzahl der Nachtschichten – mehr freie Wochenenden)
  • Können Tätigkeiten in die Tagschicht verlegt werden? (Entlastung der Nachtschicht)
  • Können die Wochenendschichten mit geringerer Mitarbeiteranzahl besetzt werden?
  • Können monotone Tätigkeiten angereichert werden?
  • Wechseln sich Erholungs- und Belastungsphasen auf Schicht häufig ab?
  • Sind ausreichend Erholungszeiten auf Schicht vorhanden?
  • Lassen sich Umwelteinflüsse vermeiden bzw. minimieren? (Lärm, Staub, Feuchte, Hitze, grelles Licht…)

Generell gilt, dass jede Verringerung der Nachtschichtbesetzung oder eine Verringerung der Nachtschichten-Anzahl eine Entlastung der Schichtarbeitnehmer bedeutet und zu gesunden und alternsgerechten Arbeitsbedingungen beiträgt.

 

Akzeptanzprobleme

Auch bei der Umsetzung der arbeitswissenschaftlichen Empfehlungen kann es zu Akzeptanzproblemen kommen, da es zu veränderten und somit gefühlt schlechteren Schichtrhythmen kommen kann. Außerdem haben viele Schichtarbeitnehmer subjektiv den Eindruck, dass sich durch lange Schichtrhythmen (z. B. 7 Tage Nachtshicht am Stück) der Körper an die Nachtschicht anpasst. Eine wirkliche Anpassung der Körperfunktionen an die Nachtarbeit findet jedoch definitiv nicht statt! Somit kommt es häufig zu einer subjektiven und emotionalen negativen Bewertung bei der Einbindung arbeitsmedizinisch empfohlener Schichtrhythmen, denen fachliche Argumente entgegengestellt werden müssen.

Um Akzeptanzprobleme zu verhindern, spielen eine umfassende Information und Aufklärung sowie eine gute Kommunikation eine zentrale Rolle. Oft können die Widerstände im Veränderungsprozess nur durch die Zeitschiene entkräftet werden. Die Planung und Umsetzung neuer Schichtpläne kann daher bis zu einem Jahr dauern. Selbst bei ausreichender Zeitplanung kann man nicht 100 % der Mitarbeiterakzeptanz erreichen.

Empfehlenswert ist, die Hemmnisse und Widerstände aufzunehmen und nach ca. einem ¾ Jahr nach der Neueinführung eines neuen Schichtplans mit kurzen Schichtrhythmen eine erneute Befragung durchzuführen. Erfahrungsgemäß erhöht sich die Akzeptanz durch das selbst Erleben.

 

Das Dilemma der Dauernachtschicht

 

Das Dilemma besteht darin, dass die Dauernachtschicht zum einen zu einer permanenten Abkopplung von der familiären und gesellschaftlichen hoch bewerteten abendlichen Freizeit führt. Wie bereits oben ausführlich beschrieben, sind Nachtschichten eine sehr hohe gesundheitliche Belastung für die Schichtarbeiter, denn auch bei Dauernachtschicht findet keine völlige Anpassung des Körpers an den Bio-Rhythmus statt (objektive Betrachtung).

Auf der anderen Seite stehen die individuellen Präferenzen der Mitarbeiter. Als Grund werden häufig die bessere Vereinbarkeit der Arbeit mit Kindern und Familie, Geld (Zuschläge), lange Freizeitblöcke oder auch stressfreies Arbeiten genannt (subjektive Betrachtung).

Die individuelle Bewertung von Beschäftigten, die in Dauernachtschicht arbeiten, wird hauptsächlich von der subjektiven Betrachtungsweise gesteuert. Mitarbeiter sind dann häufig für die objektiven gesundheitsschädlichen Gründe schwer oder gar nicht offen. Eine Veränderung ist daher aufgrund von Widerständen nur sehr schwer umsetzbar.

 

Schichtarbeit und ältere Mitarbeiter

 

Auch der Anteil von älteren Schichtarbeitnehmern nimmt immer mehr zu. Daher muss in der Schichtplangestaltung auf die veränderte Leistungsfähigkeit von älteren Schichtarbeitern eingegangen werden.

Eine Möglichkeit ist, besondere Tagschichten speziell für ältere Mitarbeiter zu schaffen bzw. diese Mitarbeiter in andere Bereiche zu versetzten. Allerdings ist dies aufgrund von betrieblichen Strukturen oder fehlender Qualifikationen nicht immer möglich. Zum Teil wird eine Umsetzung von den Mitarbeitern selbst auch nicht gewünscht.

Unternehmensspezifisch muss geprüft werden, ob länger Arbeitsphasen verkürzt und ob die Erholungsphasen und Pausen verlängert werden können. Mehrarbeit sollte in diesem Zusammenhang vermieden werden. Und wenn doch Mehrarbeit anfallen sollte, sollte der Ausgleich möglichst in Freizeit gewährt werden. Weiterhin ist zu prüfen, ob nicht generell die Wochenarbeitszeit für ältere Schichtarbeitnehmer reduziert werden kann.

Unabdingbar ist die Einbeziehung der arbeitsmedizinischen Empfehlungen in die Schichtplangestaltung. Auch die Möglichkeit der generellen Reduzierung der Nachtschichten oder der Reduzierung der Nachtschichten nur für ältere Mitarbeiter kann geprüft werden.

Nicht immer sind Maßnahmen eines Unternehmens auch gleichzeitig für ein anderes Unternehmen von Vorteil, da jedes Unternehmen andere Abläufe und Strukturen hat. Daher müssen mögliche Maßnahmen speziell auf das Unternehmen zugeschnitten werden.

 

Fazit

Leider kann man auf Schichtarbeit nicht gänzlich verzichten. Was wir allerdings tun können ist, die Schichtpläne so gesund wie möglich zu gestalten, um die Schichtarbeiter so lange wie möglich gesund und motiviert im Unternehmen zu halten.

 

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