Arbeitszeitmodelle – Flexibel gestalten und Wettbewerbsfähigkeit sichern

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Die Gründe für die zunehmende Flexibilisierung von Arbeitszeiten und der damit verbundenen flexiblen Ausgestaltung der Arbeitszeitmodelle sind in dem ökonomischen Zwang zur rentableren Auslastung von Produktionsanlagen zu sehen. Längere Maschinenlaufzeiten lassen sich durch eine Ausdehnung der täglichen Arbeitszeiten bis zur maximalen Ausweitung der Anlagenbesetzungszeiten in Form vollkontinuierlicher Produktion durch Einbeziehung der Wochenenden erzielen. Der Transfer des Dienstleistungsangebots für den Kunden, z. B. durch Verlängern der Ladenöffnungszeiten im Einzelhandel sowie die Internationalisierung des Marktes lassen den Unternehmen keine andere Wahl, die Arbeitzeitmodelle so flexibel wie möglich zu gestalten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Mittlerweile arbeiten in Deutschland ca. 40 % der Beschäftigten in Schicht bzw. Wochenendarbeit mit langen und schwankenden Arbeitszeiten.

Die Notwendigkeit der Arbeitzeitflexibilisierung und die Einführung flexibler Arbeitszeitsysteme ist heute wichtiger denn je. Der effiziente Einsatz der Ressource Arbeitszeit ist ein Bestandteil zur Lösung der allgemeinen Diskussionen über die Kostenstrukturen in den Unternehmen sowie der Auslagerung von Produktionsstandorten ins Ausland und dient der Sicherung des Standorts Deutschland.

 

Im Allgemeinen wird häufig Flexibilität der Arbeitszeiten mit dem Begriff der Arbeitszeitkonten (Ampelkonten) in Verbindung gebracht. Aber ist mit dieser Art der Flexibilisierung den Unternehmen wirklich geholfen?

 

Häufig werden durch Ampelkonten Regelungen asymmetrische Überstundenkontingente aufgebaut, die im Laufe der Jahre durch Freizeitausgleich nicht mehr reduziert werden können bzw. zu einer ungleichmäßigen Belastung der Mitarbeiter führen.

Zu den wichtigsten Ursachen für Überstunden gehören kurzfristige Produktionsanstiege bzw. Personalengpässe durch Krankheit oder Fachkräftemangel. Auf Basis empirischer Daten ist zu beobachten, dass die meisten Überstunden auf hoch qualifizierte, personalkostenintensive Fachkräfte entfallen.

Zum ersten Mal seit fünf Jahren ist 2006 die Zahl der bezahlten Überstunden in Deutschland wieder gestiegen. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) Nürnberg teilte mit, dass die Arbeitnehmer insgesamt 1,45 Mrd. bezahlter Überstunden im Jahr 2006 (Vorjahr: 1,43 Mrd.) leisteten. Das bedeutet, dass im Durchschnitt jeder Beschäftigte 41,9 bezahlte Überstunden im Jahr erarbeitete. Im Jahr 2000 betrug der Wert pro Beschäftigen noch 50,66 Stunden. Die Überstunden pro Beschäftigten variieren je nach Branche und Qualifikationsgrad. Hauptursache für den Anstieg der Überstunden mit Lohnausgleich war nach Ansicht von Arbeitsmarktexperten die anziehende Konjunktur im zweiten Halbjahr 2006. Die Unternehmen versuchen in Phasen einer anziehenden Konjunktur häufig, die gestiegenen Auftragseingänge durch Überstunden abzufangen. Nach Darstellungen des IAB entspricht das Überstundenvolumen einem Äquivalent an Beschäftigung von ca. einer Million Menschen. Dass die Zahl der tatsächlich geleisteten Überstunden um ein Vielfaches höher ist, liegt nicht nur an den in der Praxis eingesetzten Arbeitszeitmodellen, wie z. B. gleitender Übergang in den Ruhestand, Vorruhestandsregelungen oder eben den Arbeitszeitkonten, sondern auch an der Angst um den Arbeitsplatz.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin analysierte, dass sich Vollzeitbeschäftigte in Westdeutschland zum Anfang der 90er Jahre ca. die Hälfte Ihrer geleisteten Überstunden ausbezahlen ließen. Im Jahre 2005 ist dieser Prozentsatz auf 15 % gesunken. Die Bedeutung des Freizeitgedankens nimmt einen immer höheren Stellenwert ein. Auch in den neuen Bundesländern, wo Anfang der 90er Jahre ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer durchschnittlich noch knapp eine bezahlte Überstunde pro Woche arbeitete, wurde die bezahlte Mehrarbeit in ihrer Bedeutung vor allem von den mit Freizeit kompensierten Überstunden abgelöst.

 

Das Ziel der Flexibilisierung der Arbeitszeiten muss zu einer Harmonisierung zwischen den unternehmerischen Bedürfnissen und den persönlichen Bedürfnissen der Beschäftigten führen.

 

Dass die Harmonisierung seitens der Beschäftigten auch im betrieblichen Interesse sein kann, wird von Arbeitgeberseite häufig unterschätzt. Mit flexibleren Arbeitszeitmodellen, die auch den Arbeitnehmern Möglichkeiten zur Gestaltung und Pflege ihrer sozialen Kontakte einräumen, können erhebliche Wettbewerbsvorteile und Produktivitätsgewinne erzielt und gleichzeitig den individuellen Interessen der Beschäftigten entsprochen werden. Dass dies nicht zwangsläufig mit dem Aufbau von Überstunden in Verbindung gebracht werden muss, lässt sich durch den Einsatz flexibler und humaner Arbeitszeitmodelle abbilden.

Durch flexible Arbeitszeitmodelle wird den Unternehmen die Möglichkeit geboten, saisonale Schwankungen im Arbeitszeitmodell zu berücksichtigen bzw. auf verändertes Nachfrageverhalten des Marktes schnell und flexibel reagieren zu können, um langfristig die Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandortes zu sichern und dies ohne Mehrarbeit oder Fremdpersonal, sondern durch eine intelligente Nutzung der Ressource Arbeitszeit.

Die Implementierung flexibler und humaner Arbeitszeitmodelle führen zu einem an den Unternehmens und Produktionsbedürfnissen ausgerichteten Arbeitszeitmodell, mit der Möglichkeit bei Personalengpässen im Urlaubs bzw. Krankheitsfall mit eigenem qualifizierten Personal den Betriebsablauf aufrecht zu erhalten. Ziel ist es dabei, unter Berücksichtigung aktueller arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse und unter Einhaltung der gesetzlichen und tariflichen Rahmenbedingungen, die Auswüchse von kostenintensiver Mehrarbeit zu eliminieren. Durch die Einbeziehung arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse in die Arbeitszeitmodelle, werden gerade im vollkontinuierlichen Betrieb, die individuellen Bedürfnisse der Schichtarbeiter berücksichtigt und durch gesundheitsschonende Schichtrhythmen den körperlichen Beanspruchungen der Mitarbeiter Rechnung getragen. Es gilt als erwiesen, dass beim Einsatz so genannter kurzer Schichtrhythmen der Krankenstand in den Bereichen ebenso sinkt wie das Risiko eines Betriebsunfalls. Gerade in Anbetracht der demographischen Entwicklung (Überalterung der Gesellschaft) und dem Fachkräftemangel bei den Unternehmen in Deutschland, muss alles dafür getan werden, dass die Mitarbeiter so lange wie möglich den Unternehmen zur Verfügung stehen können.

Wenn wirtschaftlicher Nutzen und individuelle Interessen in Einklang stehen, leisten flexible Arbeitszeitmodelle einen Beitrag zur Lösung arbeitsmarktpolitischer, unternehmerischer und gesellschaftlicher Herausforderungen.


Verfasserin: Dipl.-Betriebswirtin (VWA) Petra Strahl
Flextime Consult Arbeitszeitberatung
Walderseestr. 14a, 30177 Hannover
Kontakt: buero(ät)flextime-consult.de

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